WARTEN
„Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.“ (Psalm 130,6)
Advent ist eine Zeit des Wartens. Doch worauf warten wir denn da eigentlich genau im Advent – mal abgesehen von Plätzchen, Stollen, Geschenken und Festtagsbraten? Was heißt es, auf das Christkind zu warten?
· Advent ist eine Einübungszeit für das Warten. Wir üben Warten, damit wir es besser können, wenn wir im Leben wieder einmal auf etwas Wichtiges warten müssen.
· Wir warten nicht auf ein Baby, wir warten auf das, was dieses Christkind zu bringen verheißt: Frieden – äußerlich und innerlich, an Leib und Seele, Ansehen – Gott sieht dich an, Ankunft – bei sich ankommen, zu Hause sein.
· Wir warten nicht auf ein Baby, aber wir warten auf das, was ein Baby uns zeigen kann: Alles fängt wieder neu an. Obwohl alles schon bekannt und alles schon gelebt ist, kann alles wieder neu anfangen. Ein geringfügiger Perspektivenwechsel, ein kleiner Schubser, eine neue Aufmerksamkeit kann Wunder wirken.
· Worauf warte ich?
In diesen Zeiten, in denen wir so vieles sollen und müssen, wollen wir hier einmal ganz andere Gebote proklamieren:
Die Erde, die Sonne und die Tiere lieben,Reichtümer gering achten,
jedem, der darum bittet, ein Almosen geben,
dich der Dummen und Verrückten annehmen,
deine Arbeit und dein Einkommen dem Allgemeinwohl widmen,
Tyrannen hassen, nicht über Gott streiten,
Geduld und Nachsicht mit den Menschen haben,
alles nachprüfen, was du in der Schule, Kirche oder aus irgendeinem Buch gelernt hast,
loslassen, was dich verletzt,
und aus dir wird ein großer Gesang.
WALT WHITMAN
In Zeiten von Social Distancing ein enorm wichtiger Gedanke:
KEINE DISTANZ
Keine Distanz
vermag Freundschaft
zu mindern
im Gegenteil:
Freundschaft
vermindert
alle Distanz
Herzen
zählen keine
Kilometer
CAROLA VAHLDIEK
GEBET EINES SCHUTZENGELS FÜR SEINEN MENSCHEN
Oh, mögest du nie das kindliche Staunen vergessen,
das einst deine Seele erfüllte.
Das Staunen über die kleinen Wunder des Alltags:
Die Ameisenstraße in deinem Zimmer und
den gelb-schwarzen Feuersalamander
im feuchten Wald,
den Regenbogen am Himmel und
die Eisblumen am Fenster,
die Winterlinge und Schneeglöckchen im Schnee
und die Schmetterlinge auf den violetten Dolden
des Sommerflieders.
Mögest du nie das kindliche Staunen verlernen,
das noch immer deine Seele erfüllen will.
Ein junger Mann kommt zu einem Rabbi und fragt: „Was kann ich tun, um die Welt zu retten?“ Der Rabbi antwortet: „Soviel wie du tun kannst, dass morgen die Sonne aufgeht.“ „Aber was sollen dann all meine Gebete und meine guten Werke?“ fragt der junge Mann. Darauf der Rabbi: „Sie helfen dir, wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht.“
Im SWR habe ich heute einen Radio-Impuls gehört, der mich sehr angesprochen hat. Er passt sehr gut zu unserem Videogruß zu Beginn des Semesters und regt nochmals zum Nachdenken über die Frage "Was gibt dir Halt?" an. Diesen Impuls möchte ich hier 1:1 so wiedergeben:
Was trägt Dich?
von Dr. Peter Kottlorz, Rottenburg/N., Katholische Kirche
Was macht Dich aus? Was trägt Dich, wenn es wackelt, in Dir oder um Dich herum? Die letzten Monate haben Einiges ins Wanken gebracht. Gesundheitlich, wirtschaftlich und nicht zuletzt auch seelisch. Zum Wohl und zum Wehe. Selten noch waren so viele Menschen so lange zurückgeworfen auf sich selbst. Sicher nicht alle, vor allem Familien mit Kindern nicht. Aber viele waren so ausgebremst wie noch nie, allein oder zu zweit und mit Zeit für sich selbst. Zeit auch für das, worauf es ankommt, unter der Oberfläche. Für Fragen wie ‚Wer bin ich denn - jenseits von Beruf, Geld oder Beziehungen? Ich ganz allein? In Wohl und Wehe?‘
Schon länger liegt in meiner Sammlung ein Text, den ich sehr schätze, weil er genau diese Fragen stellt. Fragen, die generell wichtig sind, speziell aber auch in Krisenzeiten. Und seien sie nun politisch, wirtschaftlich oder persönlich. Der Text heißt „Die Einladung“, weil er ausschließlich durch Fragen dazu einlädt, sich grundsätzliche Gedanken über das eigene Leben zu machen. Er ist von der kanadischen Autorin Oriah Moutain Dreamer. Und ich möchte ihn Ihnen mit in den heutigen Tag geben:
„Es interessiert mich nicht, womit Du Dein Geld verdienst. Ich möchte wissen, wonach Du innerlich rufst, ob Du zu träumen wagst und der Sehnsucht Deines Herzens zu begegnen.
Es interessiert mich nicht wie alt Du bist, ich will wissen, ob Du es riskierst, wie ein Narr auszusehen, um Deiner Liebe willen…
Ich will wissen, ob Du mit dem Schmerz dasitzen kannst ohne zu versuchen, ihn zu verbergen oder zu mindern…
Ich will wissen ob Du jemanden enttäuschen kannst, um Dir selber treu zu sein.
Ich will wissen, ob Du die Schönheit sehen kannst, auch wenn es nicht jeden Tag schön ist, und ob Du Dein Leben aus Gottes Gegenwart speisen kannst.
Es interessiert mich nicht, wo Du lebst. Ich will wissen, ob Du aufstehen kannst nach einer Nacht der Trauer und der Verzweiflung und tust, was getan werden muss.
Es interessiert mich nicht, wo oder was Du mit wem gelernt hast. Ich will wissen, was Dich von innen hält, wenn sonst alles wegfällt.
Peter Kottlorz, Katholische Kirche, Rottenburg
Quelle: Der Andere Advent – Meditationen und Anregungen November 2009 bis Januar 2010. 28.12. Hrsg. Von Andere Zeiten e.V., Hamburg, 2009
Hier eingestellt von Alexandra Holzbauer
Hier eine kleine Geschichte zum Schmunzeln (etwas ganz Wichtiges in diesen so ernsten Zeiten!) und Nachdenken:
Ein kleiner Junge wollte Gott treffen.
Er packte einige Coladosen und Schokoriegel in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg. In einem Park sah er eine alte Frau, die auf einer Bank saß und den Tauben zuschaute.
Der Junge setzte sich zu ihr und öffnete seinen Rucksack. Als er eine Cola herausholen wollte, sah er den hungrigen Blick der Frau. Er nahm einen Schokoriegel heraus und gab ihn der Frau. Dankbar lächelte sie ihn an – ein wundervolles Lächeln!
Um dieses Lächeln noch einmal zu sehen, bot ihr der Junge auch eine Cola an. Sie nahm sie und lächelte wieder, noch strahlender als zuvor. So saßen die beiden den ganzen Nachmittag im Park, aßen Schokoriegel und tranken Cola, ohne auch nur ein Wort zu sprechen.
Als es dunkel wurde, wollte der Junge nach Hause gehen. Nach einigen Schritten hielt er inne, ging zurück und umarmte die Frau. Die schenkte ihm dafür ihr allerschönstes Lächeln.
Zu Hause fragte ihn seine Mutter: „Was hast Du denn heute Schönes gemacht, dass Du so fröhlich aussiehst?“ Der Junge antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und sie hat ein wundervolles Lächeln!“
Auch die alte Frau war nach Hause gegangen, wo ihr Sohn sie fragte, warum sie so fröhlich aussehe. Sie antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und er ist viel jünger, als ich dachte!“
Text: Julie A. Manhan
Für bewegende Zeiten: Gebet der Hoffnungszeit
Gott,
ich bin nicht allein.
Du bist da.
Du verbindest uns miteinander.
Wir kommen zu dir mit allem, was uns bewegt.
Stärke die Kranken.
Tröste die Ängstlichen.
Sei nahe den Einsamen.
Schenke Hoffnung
allen Menschen und der ganzen Erde.
Amen.
Jeden Tag um 19.30 Uhr läuten an vielen Orten in ganz Deutschland die Kirchenglocken. In Verbundenheit mit vielen Menschen möchten wir genau um diese Uhrzeit zu einer gemeinsamen Hoffnungszeit einladen: eine kurze Auszeit im Gebet, für wenige Minuten, jeder an seinem Ort - das ist die Hoffungszeit
Sorglos
Wenn du mit einem Problem konfrontiert bist,
gibt es die Möglichkeit, das Problem zu lösen,
dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
Wenn es keine Lösung gibt,
nützen dir deine Sorgen auch nichts.
DALAI LAMA
Und hier derselbe Gedanke zum Anschauen und Anhören: https://youtu.be/9YRjX3A_8cM
Morgengebet
"Es sind schlimme Zeiten, mein Gott. Heute Nacht geschah es zum ersten Mal, dass ich mit brennenden Augen schlaflos im Dunkeln lag und viele Bilder menschlichen Leidens an mir vorbeizogen. Ich verspreche dir etwas, Gott, nur eine Kleinigkeit: Ich will meine Sorgen um die Zukunft nicht als beschwerende Gewichte an den jeweiligen Tag hängen, aber dazu braucht man eine gewisse Übung. Jeder Tag ist für sich selbst genug. Ich will dir helfen, Gott, dass du mich nicht verlässt, aber ich kann mich von vornherein für nichts verbürgen. Nur dies eine wird mir immer deutlicher: dass du uns nicht helfen kannst, sondern dass wir dir helfen müssen, und dadurch helfen wir uns letzten Endes selbst. Es ist das Einzige, auf das es ankommt: ein Stück von dir in uns selbst zu retten, Gott. Und vielleicht können wir mithelfen, dich in den gequälten Herzen der anderen Menschen auferstehen zu lassen. Ja, mein Gott, an den Umständen scheinst du auch nicht viel ändern zu können, sie gehören nun mal zu diesem Leben. […]
Ich werde in der nächsten Zukunft noch sehr viele Gespräche mit dir führen und dich auf diese Weise hindern, mich zu verlassen. Du wirst wohl auch karge Zeiten in mir erleben, mein Gott, in denen mein Glaube dich nicht so kräftig nährt, aber glaube mir, ich werde weiter für dich wirken und dir treu bleiben und dich nicht aus meinem Inneren verjagen."
ETTY HILLESUM
(Die Autorin war eine niederländische Lehrerin. Als Jüdin wurde sie 1943 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.)
Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.
Aber was geschehen, ist geschehen. Und das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten.
Was geschehen, ist geschehen. Das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten, aber
Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.
BERTOLT BRECHT
Ich zünde die Kerze.
Die Flamme durchbricht
feindliches Dunkel.
Seht nur: das Licht!
Die Flamme züngelt.
Die Kerze strahlt.
Das Licht zeigt es an:
Ein Kind kommt bald.
Die Kerze brennt,
verzehrt sich selbst,
gibt Licht und Wärme
für alle Welt.
Die Flamme lodert,
das Feuer brennt.
Mein Herz brennt auch:
Es ist Advent!
DIETRICH STEINWEDE
Wenn der Wind nicht wäre
und die Wolke im Blau,
nähme ich alles Schwere
viel zu schwer und genau.
Würde nicht Nähe zur Ferne,
Letztes von Zweifeln erreicht,
wäre der Weg, den ich lerne,
vordergründig und leicht.
Wenn nicht Geheimnis bliebe,
was wie warum widerfährt,
wäre die Welt keine Liebe
und Traurigkeit wert.
DETLEV BLOCK
Die Schöpfung ist nicht einfach "da", wie ein Haufen Material, sondern erwartet, gewünscht, geboren aus Gott, unserer Mutter. Wenn wir "Schöpfung" sagen und nicht einfach "Natur", dann sagen wir etwas über die Beziehungshaftigkeit des Seins. Die Erde dreht sich zärtlich, die Walfische spielen im Meer Gott zu Ehren (Ps 104,25). Die Bergwiesen stehen voller Frühlingsblumen ohne jeden Nutzen, und manchmal, wenn wir Musik hören, wissen wir, dass wir alle Geschwister sind, Kinder einer Mutter, die ohne Bruder Feuer und Schwester Wasser nicht leben können, Freunde des Windes, angstlos und voller Hingabe an das Leben.
Dorothee Sölle
Eines der befriedigendsten Gefühle habe ich, wenn ich einen Anderen auf dieselbe Weise genieße wie zum Beispiel einen Sonnenuntergang.
Menschen sind genauso wundervoll wie ein Sonnenuntergang, wenn ich sie sein lassen kann.
Ja, vielleicht bewundern wir einen Sonnenuntergang gerade deshalb, weil wir ihn nicht kontrollieren können.
Wenn ich einen Sonnenuntergang betrachte, höre ich mich nicht sagen: „Bitte das Orange etwas gedämpfter in der rechten Ecke und etwas mehr Violett am Horizont und ein bisschen mehr Rosa in den Wolken.“
Das mache ich nicht.
Ich versuche nicht, einem Sonnenuntergang meinen Willen aufzuzwingen.
Ich betrachte ihn mit Ehrfurcht.
Carl Rogers
√ Sprich Kindergebete, unverbindlich, zur Probe, um zu merken wie sie sich im Mund aufführen – zum Beispiel: „Manchmal geht mir durch den Sinn, dass ich lebe, dass ich bin.“, „Guter Gott, das kommt von Dir, heute sag ich Dank dafür.“, „Wo ich gehe, wo ich stehe, bist Du, guter Gott, bei mir.“ oder „Wenn ich Dich auch niemals sehe, weiß ich immer: Du bist hier.“
√ Wenn Du Zeit hast die Erdkrümmung zu sehen, zum Beispiel am Meer, dann kannst Du unter uns die riesige Kugel spüren, die uns alle zusammenhält. Das ist ein Wunder. Es gibt noch eine Menge andere Kugeln im Weltall, die nichts Anderes zusammenhalten als Staub und dämliche Steine. Du und Milliarden Andere stehen lebend auf diesem Planeten.
√ Denk nicht, die Erholung beginnt mit dem ersten Ferientag.
√ Deine Seele ist langsam. Sie läuft noch im Trab, während Du schon irgendwo sitzt und versuchst zu genießen. Wundere dich nicht. Das ist normal und vergeht.
√ Verschone am Anfang Deine Liebsten mit Plänen.
√ Jeder von Euch hat einen anderen Rhythmus. Den gemeinsamen müsst Ihr erst finden. Das dauert etwa eine Woche.
√ Wenn Du Zeit hast, melden sich zunächst Sachen, denen Du vorher keinen Raum gegeben hast. Wut, Herz-Pochen, Schlaf. Lass es geschehen, so beginnt die Seligkeit.
√ Jeder Tag hat ein Ende. Wenn Ihr zusammensitzt, oder wenn Du allein sitzt, dann lass die Szenen des Tages vor Deinem Auge spazieren gehen. In diesen Wochen hast Du Zeit für sowas. Verabschiede Dich von dem, was blöd war und danke für das, was gelungen ist – und sei es nur ein Drei-Sekunden-Vanille-Geschmack. So übst Du Dich zu freuen an dem, was ist.
√ Wenn Du eine Stelle entdeckt hast, an der Du einfach so sitzen magst und in die Luft gucken, geh da wieder hin. In die Luft gucken ist oft die Vorbereitung für große Taten.
√ Während Du dasitzt und Dein Eis schleckst, sterben viele Leute und viele andere werden geboren. Im selben Moment. Und du atmest derweil. Auch ein Wunder.
Thomas Hirsch-Hüffel
Der Jesuitenpater Thomas Gertler SJ erzählt von dem kleinen Taschensegen, den er regelmäßig nutzt:
„Der kleine Taschensegen ist das Gegenteil von dem, was viele Menschen aus Wut oder Enttäuschung oder aus Beleidigtsein in ihrer Tasche machen. Das ist die Faust in der Tasche. Allerdings kann ich, statt die Faust in der Tasche zu machen, in der Tasche den kleinen Segen geben. Das mache ich oft und gern.
Und wie das geht? Ich zeichne einfach in meine Handfläche mit dem Daumen ein Kreuz und sage dazu innerlich: Gott segne Dich. Wenn ich auf der Straße gerade einem offensichtlich traurigen Menschen begegne oder einem Mann an Krücken oder einem an Magersucht erkrankten Mädchen. Einer alten Dame mit Rollator. Oder einem verliebten Paar. Oder fröhlichen Kindern. Oder wenn ein Krankenwagen mit Tatütata vorbei fährt. Oder wenn da schon wieder ein Bettler sitzt. Oder wenn mir ein Rollstuhlfahrer entgegenkommt. Oder eine schwangere Frau. Immer der kleine Taschensegen.
Der kleine Taschensegen verändert. Er schenkt hoffentlich all diesen Menschen Gottes Segen. Aber er macht auch mich froh. Er gibt mir einen anderen Blick auf die Menschen. Er lässt mich Ja sagen. Und das verwandelt meine Weltsicht hin zum Positiven, hin zur Barmherzigkeit, hin zur Liebe, hin zum Guten. Er muss ja auch gar nicht in der Tasche gemacht werden. Er kann auch mit dem Daumen in der Handfläche außerhalb der Hosen- oder Manteltasche gegeben werden.
Versuchen Sie es mit dem kleinen Taschensegen, wenn Sie unterwegs sind. Er kommt zu Ihnen zurück.“*
Seit geraumer Zeit probiere ich das mit dem kleinen Taschensegen tatsächlich aus. Auch in diesen Tagen der Prüfungsvorbereitung und der Prüfungen werde ich das wieder fleißig tun. Und was soll ich sagen? Es macht wirklich einen Unterschied! Versuch es selbst!
Alexandra Holzbauer
*Aus der Arbeitshilfe „Beim nächsten Ton ist: FRIEDEN“, hrsg. Vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken e.V., 2018
Fragestunde
Wann hast du eigentlich das letzte Mal
ein Papierschiff zu Wasser gelassen
das Kirschkern-Weitspucken geübt
einen Luftballon aufgeblasen
auf einer Schaukel gesessen?
Wann bist du eigentlich das letzte Mal
so richtig aus dem Häuschen gewesen
aus der Reihe getanzt
auf Wolken geschwebt
rundum glücklich gewesen?
Du sagst zu all dem fühlst du dich
zu vernünftig, zu erwachsen, zu alt?
Jammerschade eigentlich um all die
herrlichen verpassten Gelegenheiten,
oder?
ANGELIKA WOLFF
Friedenslied
Werden je Füße, geflügelt, mir melden den Frieden,
senkt über schwelende Erde den Tau sich des Friedens,
wird je gehört aus Menschenmündern das Wort:
Wir dürfen ruhen in Frieden.
Dann werd ich weinen und lachen und trinken und schlafen,
träumen von Flüchten und Töten und schaudernd erwachen.
Doch niemand flieht, nirgends Alarm in der Luft,
überall Frieden geschaffen.
Dann werd ich winken nach Fremden, sie werden mich segnen.
Wer einst mein Feind war, den werd ich in Frieden begegnen.
Dann wird' ich gehn, wo keine Wege bestehn -
Frieden, der Weg meiner Füße.
HUUB OOSTERHUIS
Ein Dromedar
Warum Herr Hopp am frühen Morgen ein Dromedar spazieren führt? Warum nicht? Wer hätte nicht mal Lust darauf? Aber die meisten Menschen sterben, liegen da und denken: Nicht ein einziges Dromedar hab ich in meinem Leben ausgeführt. Das hätte mir auch mal früher einfallen können. Aber dann ist es zu spät. Vielleicht sagen sie aber auch: Ich bin zu wenig Riesenrad gefahren, zu selten durch Laubhaufen gelaufen. Herr Hopp lebt jedenfalls für solche Menschen und er lebt nicht schlecht. Denn immerhin gibt es nicht wenige, denen es nicht reicht, abwechselnd zur Arbeit, zur Bank und in die Ferien zu gehen, und wenn sie damit durch sind, fangen sie von vorne wieder an. Nein, solche Leute haben vielleicht plötzlich Lust auf den Anblick eines Dromedars, das knien, oder auf einen Schimpansen, der Karten spielen kann, oder auf eine Dressurreiterin, die im rosa Röckchen auf dem Rücken des Pferdes steht und mit vollen Händen Küsse in die Menge wirft, und das mit einem Lächeln, schön wie eine Fensterscheibe voll Eisblumen. Ja, wenn dies alles eine Pizza wäre, man könnte es sich kommen lassen. Aber ein Dromedar?
ROGER WILLEMSEN (1955-2016)
Gefunden im Adventskalender „Der Andere Advent“ (2016/17) von Andere Zeiten e.V. – eine wahre Fundgrube an zauberhaften, berührenden und inspirierenden Texten!
annahme
wenn ich es ernst nehme
dass dieser GOTT mich ernst nimmt
wenn ich es glaube
dass dieser GOTT an mich glaubt
wenn ich es annehmen kann
dass dieser GOTT mich annimmt
dann kann ich daraus leben
dass dieser GOTT für mich gestorben ist
Wolfgang Metz
Zeit für 10 Dinge
Nimm dir Zeit zum Arbeiten
Das ist der Preis für den Erfolg
Nimm dir Zeit zum Nachdenken
Das ist die Quelle der Kraft
Nimm dir Zeit zum Spielen
Das ist das Geheimnis der Jugend
Nimm dir Zeit zum Lesen
Das ist das Fundament des Wissens
Nimm dir Zeit für die Andacht
Das wäscht den irdenen Staub von deinen Augen
Nimm dir Zeit für deine Freunde
Das ist die Quelle des Glücks
Nimm dir Zeit zum Lieben
Das macht dich lebendig
Nimm dir Zeit zum Träumen
Das zieht die Seele zu den Sternen hinauf
Nimm dir Zeit zum Lachen
Das ist die Erleichterung, welche die Bürde des Lebens tragen hilft
Nimm dir Zeit zum Planen
Dann hast du auch Zeit für die ersten neun Dinge
Funkenflug im Advent
Advent ist eigentlich ein lateinisches Wort und heißt übersetzt: Erwartung. Gut, das weiß man schon. Aber es heißt noch etwas anderes: Abenteuer - siehe 'adventure'.
Manche Leute machen im Advent bewusst etwas anders als sonst, weil sie dann nicht immer das langweilige Gleiche tun. Dann kribbelt es ein wenig im Bauch, und sofort ist ein bisschen mehr Funkenflug im Leben.
Was könnte man anders machen? Hier ein paar Vorschläge. Wenn dir eine dieser Ideen zusagt, greif sie dir:
Stell ein einziges Weihnachtsgeschenk selbst her. Es ist nicht ausgeschlossen, dass beim Tun etwas Besonderes mit dir geschieht.
Mach nicht mehr Türchen auf als erlaubt. Wer seine Neugier staut, gewinnt. Wenn du ein Türchen zu viel aufgemacht hast, musst du jemanden anrufen, der dich mag. Frag sie oder ihn, was er oder sie an dir mag.
Wirf einen Euro in den Neckar. Er wird zu dir zurückkommen.
Frag einen von den "Trottwar"-Verkäufern nach seinem Tagesablauf und wie viel Geld er im Monat zur Verfügung hat. Und kauf die Zeitung.
Geh nicht einkaufen am Sonntag. Das kannst du immer tun. Geh lieber zu denen, die dich mögen, und trink Punsch mit ihnen.
Denk nicht so viel an Gott. Der denkt schon an dich - verlass dich drauf.
Beschenk jemanden heimlich. Wenn möglich, richte es so ein, dass du ihn oder sie beim Entdecken des Geschenks sehen kannst.
Erwarte nicht zu viel von deinen Verwandten zu Weihnachten. Irgendwie sind alle ein bisschen angespannt. Man erinnert die Christnacht der Kindheit und ist schnell enttäuscht, wenn's nicht so schön ist. Als wir klein waren, hatte eben alles noch einen Zauber.
Wenn du etwas von diesem Zauber wiederhaben willst, dann geh ruhig mal in die Kirche. In einen Gottesdienst oder ein Adventssingen. Am Sonntag oder auch Weihnachten. Es tut nicht weh. Du kannst da erleben, wie andere dir ein kleines Fest bereiten, das du vielleicht sonst nicht so bekommst. Du kannst ja wieder gehen, wenn's dir nicht gefällt. Manchmal ist es schwer, sich selbst zu sagen, dass jetzt Advent ist. Oder Weihnachten. Es hilft, wenn es andere zu dir sagen. Und auch, warum.
Thomas Hirsch-Hüffell
manchmal
manchmal liegt die Trauer
wie November auf den Farben
des Lebens
verstopft die Ohren
verschweigt Hoffnung
bis Kinderlachen Stille bricht -
dann malt St. Martin
dem November Laternenaugen
ins Gesicht
Adelheid Burkhardt
Ein Mensch
Da war mal ein Mensch
liebte bedingungslos
die Lilien die Kinder
die Vögel des Feldes
stand auf gegen Herrschaft
von Unrecht und Gleichgültigkeit
Lieblosigkeit und Gewalt
stand auf und durchkreuzte den Tod
sagte was hast du
erreicht wenn du hasst
deine Feinde die Kranken
brauchen dich sehr
verrate sie nicht –
da war mal ein Mensch
überliebte den Tod.
© Dagmar Westphal
Aus: »Mein Herz ist hell. Gedanken – Lieder – Gebete«, 2017
Kürzlich war ich im Kino und habe mir den Papstfilm von Wim Wenders - "Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes" - angeschaut (extrem sehenswert! Sehr beeindruckend!). Dabei bin ich wieder auf ein Gebet des Heiligen Thomas Morus gestoßen, das vor langer Zeit in den Tiefen meiner spirituellen Schatzkiste verschütt gegangen war und das ich aber nun gerne wieder hervorhole und hier teilen möchte. Die Tatsache, dass Papst Franziskus dieses Gebet jeden Tag betet, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es nun bei mir in den Status eines persönlichen Gebetsevergreens aufsteigt. Ich finde es so bodenständig und alltagsnah, geerdet und gehimmelt zugleich...
Alexandra Holzbauer
Schenke mir eine gute Verdauung, Herr,
und auch etwas zum Verdauen.
Schenke mir Gesundheit des Leibes,
mit dem nötigen Sinn dafür,
ihn möglichst gut zu erhalten.
Schenke mir eine heilige Seele, Herr,
die das im Auge behält, was gut ist und rein,
damit sie im Anblick der Sünde nicht erschrecke,
sondern das Mittel finde,
die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.
Schenke mir eine Seele,
der die Langeweile fremd ist,
die kein Murren kennt und kein Seufzen und Klagen,
und lass nicht zu, dass ich mir all zu viel Sorgen mache
um dieses sich breit machende Etwas, das sich „Ich” nennt.
Herr, schenke mir Sinn für Humor,
gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen,
damit ich ein wenig Glück kenne im Leben
und anderen davon mitteile.
Wenn es einmal so ganz still wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre verstummte
und das nachbarschaftliche Lachen.
Wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen.
Dann könnte ich in einem tausendfachen Gedanken
bis an den Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
Rainer Maria Rilke
Wir brauchen nicht so fortzuleben,
wie wir gestern gelebt haben.
Macht euch nur von dieser Anschauung los,
und tausend Möglichkeiten
laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern
(1871 - 1914)
aus: "Unter deinem Segen" (hg. von E. Schulz)
Jede Minute
Kostbar der Herzschlag
jeder Minute
sie schenkt dir den Atem
erlaubt dir anzufangen
aufs neue
In deinem Augenstern
kreist die verwirrende Welt
ruht das Himmelsherz
jede Minute
Rose Ausländer
Zeitansage
Es kommt eine zeit
da wird man den sommer gottes kommen sehen
die waffenhändler machen bankrott
die autos füllen die schrotthalden
und wir pflanzen jede einen baum
Es kommt eine zeit
da haben alle genug zu tun
und bauen die gärten chemiefrei wieder auf
in den arbeitsämtern wirst du
ältere leute summen und pfeifen hören
Es kommt eine zeit
da werden wir viel zu lachen haben
und gott wenig zum weinen
die engel spielen klarinette
und die frösche quaken die halbe nacht
Und weil wir nicht wissen
wann sie beginnt
helfen wir jetzt schon
allen engeln und fröschen
beim lobe gottes
- Dorothee Sölle -
Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden zu Worten.
Achte auf deine Worte,
denn sie werden zu Handlungen.
Achte auf deine Handlungen,
denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter,
denn er wird dein Schicksal.
- Aus dem Talmud (zitiert nach Charles Reade) -
Passend zum Pfingstfest, das wir dieses Jahr Anfang Juni feiern, hier ein Text des großen Theologen Karl Rahner:
Ich glaube an den Heiligen Geist.
Ich glaube, dass Gottes Geist meine Vorurteile abbauen kann.
Ich glaube, dass er meine Gewohnheiten ändern kann.
Ich glaube, dass er meine Geleichgültigkeit überwinden kann.
Ich glaube, dass er mir Phantasie zur Liebe geben kann.
Ich glaube, dass er mir Warnung vor dem Bösen geben kann.
Ich glaube, dass er mir Mut für das Gute geben kann.
Ich glaube, dass er meine Traurigkeit besiegen kann.
Ich glaube, dass Gottes Geist mir Liebe zu Gottes Wort geben kann.
Ich glaube, dass er mir Minderwertigkeitsgefühle nehmen kann.
Ich glaube, dass er mir Kraft im Leiden geben kann.
Ich glaube, dass er mir Gefährten und Gefährtinnen geben kann.
Ich glaube, dass er mir mein Wesen durchdringen kann.
Ich glaube, dass er mir inneren und äußeren Frieden geben kann.
Ich glaube an den Heiligen Geist.
Du hast eine Verabredung mit dem Leben.
Und das Leben findet nicht in der Vergangenheit statt, denn die Vergangenheit ist schon vorbei.
Das Leben findet auch nicht in der Zukunft statt, denn die Zukunft ist noch nicht da.
Das Leben findet in diesem Augenblick statt, und der ist genau da, wo du jetzt gerade bist.
Wenn du also diesen Augenblick versäumst, versäumst du deine Verabredung mit dem Leben.
- Thich Nhat Hanh -
Der Möglichkeitssinn
Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, dass er seine Daseinsberechtigung hat, dann muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann.
Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehn; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, dass es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.
So ließe sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles, was ebenso gut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.
- Robert Musil -